DER ROTFUCHSSCHWEIF

An einem sonnigen Herbsttag ging ein Weidemann auf die Jagd, denn er wollte unbedingt einen Hirsch erlegen. Von denen gab es hier im Schwarzwald nicht sehr viele, aber wenn man Glück hatte, konnte einem ein schönes Exemplar über den Weg laufen. Guter Dinge lief er in den tiefen Wald hinein, und als er nach langer Suche endlich ein Prachtstück erspähte, der gerade am Fluss seinen Durst auslöschte, blieb er stehen und rührte sich nicht mehr von der Stelle. Es trennten ihn nur ein paar wenige Meter vom wilden Tier, weshalb er ihn nicht erschrecken wollte, sonst wäre er womöglich davongesprungen. Dann spannte er vorsichtig sein Gewehr an. Der Hirsch wurde auf das Geräusch des Abzuges aufmerksam und rannte plötzlich auf ihn zu, sodass der Jäger keine Zeit mehr hatte, einen Schuss abzufeuern. Das Geweih traf den Mann mitten auf seiner Brust. Er wurde in die Luft geschleudert und landete auf dem Rücken des Hirsches. Das Hochwild begann zu rennen, sodass sich der Jäger an seinem Geweih halten mussten, um nicht runterzufallen. Als er glaubte, sein Leben zu riskieren, sprang plötzlich ein Rotfuchs aus dem Gebüsch und attackierte den Hirsch. Er biss ihm in das Hinterbein, sodass er stolperte und verletzt auf den Boden fiel. Der Jäger wurde zu Boden geschleudert und das Gewicht des Hirsches lag auf ihn, sodass er fast zerquetscht wurde. Durch den Aufprall wurde aus Versehen ein Schuss abgefeuert, dass das rechte Auge des Rotfuchses traf. Das Auge sprang aus seiner Höhle, rollte und hüpfte auf den feuchten Waldboden, bis es in einer Pfütze landete. Es war eklig, wie sich das Auge in der Pfütze drehte und blinzelte, als würde es ein Eigenleben führen. Der Rotfuchs dagegen heulte vor Schmerzen und begann sich wild im Kreis zu drehen. Er war so schnell, dass er so viel Luft aufwirbelte, dass ein Tornado entstand. Auch der Jäger und der Hirsch wurden mit einer unglaublichen Kraft in diesem Strudel hineingezogen. Dem Jäger drehte sich der Kopf, dass er nicht mehr wusste, was mit ihm geschah. Als er dann im Sturzflug wieder auf den harten Boden landete, hatte er starke Kopfschmerzen, und das Geweih des Hirsches sass fest auf seinem Kopf. Er hielt auch den Rotfuchsschweif in der Hand, aber von den Tieren war nichts mehr zu sehen. Als er in den Himmel hochblickte, wurden sie gerade von einem dunklen Stern verschlungen. Von nun an wurde der Rotfuchsschweif der neue Glücksbringer vom Weidemann, den er überall mit sich herumtrug. ENDE.

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DER GRASHÜPFER UND DAS WEICHTIER

Es war einmal ein Grashüpfer, er hatte die Eigenheit, mit seinem grünen Frack auf ein Weichtier eine Rast einzulegen. Dabei kitzelten seine Hinterbeine die glitschige Masse, was das Weichtier zum Kichern brachte.

Der Grashüpfer bastelte gern. Er hatte schon unterschiedliche Materialien ausprobiert und mit Holz, Metall oder Stein verschiedene Gegenstände und Skulpturen gemacht, doch das Weichtier war das Faszinierendste von allen, denn es liess sich biegen und formen wie man wollte, ohne kaputt zu gehen, bevor es sich dann wieder in seine ursprüngliche Gestalt zurück verwandelte.

Einmal hatte der Grashüpfer ein Barba Papa aus ihm gemacht oder sogar ein Skorpion mit Stachel, der nicht giftig, aber dennoch sehr eindrücklich aussah. Am liebsten benutzte der Grashüpfer das Weichtier als Springball oder Trampolin, dabei konnte er so schöne Kapriolen machen, dass er das Gefühl hatte, die Wolken zu berühren. Oder er lag einfach nur da und kaute an einem Löwenzahn, wenn er es nicht besonders eilig hatte. Manchmal zupfte und zerrte er an ihn, bevor er aus überschaubarer Distanz die gummiartige Substanz wieder losliess, bis es mit einem knallenden Schlag endete. Aber das tat dem Weichtier überhaupt nicht weh, er war keinesfalls schmerzempfindlich, im Gegensatz zum Grashüpfer, der sehr dünnhäutig war.

Doch beide waren hässlich, so hässlich, dass jeder sie verabscheute. Wenn sie sich auf dem glatten See spiegelten, verwarfen sie das Bild, das sie sahen. Sie fanden es widerlich, wie es nur eine Eiterbeule sein konnte. Irgendwann hatten sie aufgegeben, zu glauben, dass aus ihnen einmal eine unübertreffliche Schönheit werden würde. Dennoch verbargen sie ein Talent, das niemand kannte. Der Grashüpfer konnte so schön singen, während das Weichtier in seiner Bequemlichkeit nicht zu übertreffen war.

Eines Tages, als der Grashüpfer wieder mal launisch und nicht ansprechbar war, fand er Gefallen daran, dass Weichtier zu plagen und an seiner Haut, das wie Litschi aussah, zu ziehen und bis zum Äussersten zu spannen. Dabei befestigte er schmale Streifen, die er langgezogen hatte, an einem Pfosten und spielte damit, als seien sie Saiten einer Gitarre. Das nervte das Weichtier, aber er konnte sich aus seiner misslichen Lage nicht befreien.

Nach ein paar Sonnenaufgänge und Abenddämmerungen, hoffte das Weichtier auf einen Freispruch von ihm.

Die zirpende Grille konnte irgendwann das gequälte Tier nicht mehr leiden sehen und befreite ihn aus seiner ungemütlichen Stellung. Er entschuldigte sich bei ihm und fand dann wieder Behagen daran, auf seinem weichen Rücken zu trippeln, bis er eines Tages vom Weichtier verschluckt wurde und in seinem glitschigen Bauch landete.

Nach ein paar Sonnenaufgänge und Abendröten, spukte das Weichtier den Grashüpfer wieder aus, weil er zu salzig und eklig schmeckte. Der Heuhüpfer war mit einem Schrecken davongekommen.

Doch wie das Schicksal so wollte, wurde eines Tages der Grashüpfer von einer Schnecke gefressen, und das Weichtier landete in einem Fischernetz, das die besten Restaurants von Paris belieferte. Nur der grüne Frack und die Austernschale waren zurückgeblieben, als fossiler Beweis dafür, dass sie einmal unter uns verweilten und Erdbewohner waren.

Das Ende der Fröhlichkeit eines sinnlosen Spiels. R.R.

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